Veränderungen und Perspektiven in der Kundenberatung - Interview mit Ino Göllner

Ino Göllner ist seit 14 Jahren Kundenberater bei der GAP und unser Experte für die zahlreichen Online-Seminare. Seine Kompetenzen waren im letzten Jahr also ganz besonders gefragt. Aus seiner ganz persönlichen Sicht lässt er das Jahr 2020 Revue passieren, schaut auf die größten Veränderungen in seinem Arbeitsalltag und der Zusammenarbeit mit den Wohnungsunternehmen.

  1. Hallo Ino, vielen Dank, dass Du dir die Zeit für das Gespräch nimmst. Zuerst die wichtigste Frage: Wie geht es dir gerade im Lockdown? 

Grundsätzlich habe ich mich mit den Rahmenbedingungen gut arrangiert. Allerdings verlangt einem die Situation deutlich mehr Organisationstalent ab, da alle Planungen regelmäßig durcheinander gewirbelt werden. Alle Projekte und Schulungstermine sind permanent an die sich dynamisch verändernden Rahmenbedingungen anzupassen. So sind die Tage aktuell deutlich abwechslungsreicher als sie das früher waren. 

Im Privaten gibt es schon viele Situationen, in denen die zahlreichen Einschränkungen die Stimmung etwas trüben können. Es fehlen mir vor allem die gemütlichen Restaurant- oder Barbesuche mit Freunden oder an den Wochenenden die Treffen in größerer Gruppe. Durch diesen zwangsweisen Verzicht wurde mir erst bewusst, welchen Wert soziale Kontakte, Freunde und Familie im Leben haben. Das ist vielleicht aber auch der positive Effekt.  

In Summe entsteht so direkt ein Gefühl von Entschleunigung und Gemütlichkeit. Alles in Allem geht es mir in der Situation also sehr gut, zumal wir in der Familie und im nahen Freundeskreis zwar Covid-Fälle hatten, aber kein Krankheitsverlauf schwerwiegend war. Ich muss nur aufpassen, dass sich die vielen Kochabende, die neuerdings bei uns zuhause stattfinden, sich nicht negativ auf meine Kalorienbilanz auswirken.  

  1. Die Corona-Pandemie hat viele Dinge schlagartig verändert. Mit Blick auf unsere Beratungsleistungen: Welche großen Unterschiede würdest Du zwischen dem 4. Quartal 2019 und dem 4. Quartal 2020 herausheben? 

Das Sprichwort “Früher war alles anders.” stimmt in diesem Fall sogar. Schulungen erstreckten sich normalerweise auf ganze Tage und der Arbeitsalltag war geprägt von Dienstreisen im Zug oder Flugzeug. In der Regel bin ich am Vorabend angereist, nach dem Frühstück im Hotel dann gegen 8 Uhr beim Wohnungsunternehmen eingetroffen und dann erstreckte sich über den gesamten Tag ein Schulungsmarathon für die jeweiligen Mitarbeiter. Schließlich mussten sich die Anfahrt und die Nebenkosten aus Sicht des Unternehmens auch lohnen. Natürlich wurde der Tag durch regelmäßige Pausen mit dem ein oder anderen Heißgetränk und Plausch aufgelockert, aber alles in allem fand die Wissensvermittlung in Form eines Tagesblockes statt. Bei den meisten Wohnungsunternehmen erfolgte das ungefähr 1- bis 2-mal im Jahr.  

Der Vorteil war hierbei, dass über die Jahre eine sehr persönliche Beziehung entstanden ist, die in einigen Fällen intensiver sein kann als die zu den Kollegen im eigenen Unternehmen. Der Nachteil aus Sicht der zu schulenden Mitarbeiter, dass diese Termine auf Grund der inhaltlichen Fülle sehr anstrengend und viele nach der Mittagspause nur noch bedingt aufnahmefähig waren. Oft kam dann am Abend der Hinweis, dass ich unbedingt schnell wiederkommen müsse, da hier sicher noch Hilfebedarf bestünde und noch so viele Projektbaustellen anzugehen wären. 

Heute laufen die Schulungen völlig anders ab. Die Kunden sitzen viele Kilometer entfernt im Büro oder zu Hause in der Küche und die Schulungen erfolgen nicht mehr als Ganztagesschulung, sondern in Form kürzerer, kompakter und themenbezogener Einzelschulungen. Die Anforderungen an mich als Berater steigen dadurch deutlich an, da man sich nicht mehr auf einen einzelnen Kunden mit vorab festgelegten Themen vorbereiten kann, sondern innerhalb eines Tages vielen Wohnungsunternehmen gleichzeitig in unterschiedlichen Themenbereichen zur Verfügung steht.  

Unabhängig von unserer Belastung hat dies für die Mitarbeiter der Unternehmen aber entscheidende Vorteile, da wir die Inhalte nun auf mehrere Schulungseinheiten verteilen können. Wir können also mit einer kurzen Grundlagenschulung starten und dem Mitarbeiter ein paar Tage Zeit geben, das Erlernte anzuwenden, um dann 1-2 Wochen an einem Folgetermin gezielt aufgekommene Fragen zu klären und auf den Grundlagen weiter aufzubauen. Tatsächlich ist mein Eindruck, dass diese Art der Wissensvermittlung produktiver ist als früher und aus Sicht der Wohnungsunternehmen sogar ökonomischer, da Anfahrtskosten und -zeiten entfallen. Auch der Organisationsaufwand bei den Wohnungsunternehmen ist bei der Koordinierung von 3 kurzen Einzelterminen deutlich geringer als bei der Vorbereitung eines Ganztages vor Ort mit unterschiedlichen Mitarbeitern und Abteilungen. 

Ein weiterer Vorteil ist aus meiner Sicht, dass man nun viel häufiger Kontakt hat. Also eher regelmäßig in Wochenrhythmen Einzelfragen oder einen kurzen Schulungsblock, statt weniger langer Schulungseinheiten pro Jahr. Das zeigt sich daran, dass ich vor einem Jahr durchschnittlich zu 2 Unternehmen pro Tag Kontakt hatte und nun bei durchschnittlich 8 Unternehmen liege. Das ist anstrengend und schön zu gleich, weil ich nun viel dichter an den Unternehmensentwicklungen teilhabe und auch kurzfristiger auf neue Bedarfe eingehen kann. 

Zu guter Letzt gibt es – unabhängig von der eigentlichen Beratungsleistung – natürlich eine ökologische Relevanz. Auch wenn ich für möglichst viele Reisen die Bahn nutze, bieten die virtuellen Möglichkeiten nun natürlich unschlagbare Alternativen. Dieses Bewusstsein wird es ja in Zukunft auch brauchen. 

 

  1. Die Umstellung auf die digitalen Formate erfolgte im März dieses Jahres ja wirklich sehr schnell. Wie gut hat das aus Deiner Sicht funktioniert? 

Anfangs gab es schon ein paar Reibungsverluste. Die komplette Umstellung auf Homeoffice klappte nicht überall reibungslos, hin und wieder spielte die Technik nicht mit oder einzelne Mitarbeiter hatten Schwierigkeiten die neuen Kommunikationsmedien wie Microsoft Teams oder GoToMeeting korrekt zu bedienen.  

Diese Anlaufschwierigkeiten gibt es heute nur noch selten und wir haben auch schon Lösungsansätze entwickelt, wie wir innerhalb weniger Minuten auf solche Probleme reagieren können und AdHoc-Seminare mittels Web-Übertragungen einrichten, damit die Mitarbeiter unabhängig von ihrem Aufenthaltsort über PC oder auch Mobiltelefon an den Schulungen und Workshops teilnehmen können.  

 

  1. Wie hat sich Dein persönlicher Arbeitsalltag und Deine Schwerpunkttätigkeiten durch die digitalen Formate geändert? 

Die größte Veränderung ist der Wegfall der Reisetätigkeit. Ich habe ein gut eingerichtetes Homeoffice und arbeite nun von einem festen Platz aus. Natürlich fehlt mir manchmal der direkte persönliche Kontakt und vor allem die gemeinsamen Mittagspausen mit den Mitarbeitern der Wohnungsunternehmen. Ich versuche das aber durch intensive Nutzung der Kamera etwas wett zu machen und es gibt tatsächlich auch immer mehr Unternehmen, die selbst Webcam nutzen. Das kompensiert den persönlichen Kontakt schon ganz gut. 

Die zweite große Veränderung ist, dass ich nun meine Schulungsinhalte didaktisch ganz anders aufbaue und präsentiere. Da ich an meinem eigenen PC sitze und die Schulungsteilnehmer jeweils an ihrem eigenen, können nun alle gleichzeitig auf immotion® zugreifen und auch unmittelbar mitmachen. Das war früher anders. Da war die Schulung frontaler und der Einzelne konnte sich eher verstecken. Gerade bei Schulungen in großen Gruppen kann ich nun viel besser überprüfen, ob wirklich alle mitgekommen sind oder noch Unterstützung benötigen. Microsoft Teams ist da wirklich ein wundervolles Medium, weil wir mit nur einem Klick sofort von PC zu PC wandern können und jeder die Chance hat unkompliziert Probleme aufzuzeigen und alle anderen sogar daran teilhaben können.  

 

  1. Wagen wir zuletzt noch einen Blick in die Zeit nach den Kontaktbeschränkungen. Was glaubst Du, wird aus dieser Zeit bleiben und was ändert sich wieder? Und was wünschst Du dir persönlich? 

Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich dieses Ereignis dauerhaft auf den Arbeitsalltag von mir und auch auf viele der Mitarbeiter unserer Wohnungsunternehmen auswirken wird. Natürlich sind nicht alle Mitarbeiter oder Positionen für eine vollständige Verlagerung in ein Homeoffice geeignet. Ich kenne sogar viele Mitarbeiter, die sagen, dass Sie die Arbeitsumgebung und den Austausch mit den Kollegen während der Arbeit und den Pausen vermissen und das auch nicht dauerhaft wollen. Ein ähnlich hoher Anteil sagt aber auch, dass diese Form der flexiblen Heimarbeit eine unglaubliche Bereicherung und Ergänzung darstellt. Ich zähle mich selbst zu dieser Gruppe. Durch die Konzentration auf digitale Schulungen bin ich deutlich produktiver und glücklicher geworden. Statt von 8 Uhr bis 16 Uhr arbeitet man nun bereits um 7 Uhr, macht mittags mal 2 Stunden Pause oder (was viel häufiger passiert) gar keine Pause und setzt sich dann am Abend nochmal um 19 Uhr an den PC. Und trotz der Mehrarbeit und gestiegenen Produktivität hat man mehr Freude, weil Fahrzeiten entfallen und man selbstbestimmter tätig ist. Tatsächlich eine klassische Win-Win-Situation. Und das Thema Nachhaltigkeit bleibt natürlich auf der Agenda, so dass Arbeitsformen und Termine mit den erlernten Formaten auch danach ausgewählt und gestaltet werden. 

Natürlich wird es in der Zeit nach den Kontaktbeschränkungen auch wieder häufiger Vororttermine geben als heute, aber viele Unternehmen haben erkannt, dass sich bestimmte Mitarbeitergruppen durch partielle Heimarbeit gezielt zu noch höheren Leistungen motivieren lassen und gleichzeitig Synergieeffekte die Kosten senken. Und was speziell die digitale Wissensvermittlung angeht, haben die meisten erkannt, dass man hier mit weniger zeitlichem und ökonomischem Aufwand einen deutlich höheren Lernerfolg erzielen kann. Und dass, obwohl jeder schon am Anfang der Ausbildung oder des Studiums gelernt hat, dass es das Minimax-Prinzip doch eigentlich gar nicht gibt. *lacht*